Waffenkunde - Jagdwaffen & Munition Komplettguide | Jagdschein Deutschland

Waffenkunde für Jäger

Umfassender Guide zu Jagdwaffen, Munition und Schießtechnik

Alles was du über Jagdwaffen, Munitionsarten, Kaliber und Schießprüfung wissen musst

Jagdwaffen - Überblick der Waffentypen

1. Flintenlauf (Schrotflinte)

Beschreibung: Glattes Rohr ohne Züge, für Schrotmunition

  • Kaliber: 12/76, 16/76, 20/76 (europäisch)
  • Geschosse: Schrot (Kugelreihe: 0, 2, 4, 6, 7, 8, 9)
  • Einsatz: Flugwild (Enten, Gänse, Fasanen, Rebhühner)
  • Schussbereich: 30-50m optimal
  • Vorteil: Hohe Treffquote auf schnelle Ziele durch Schrotgarbe

Wildarten: Federwild, gelegentlich Fluchtwild (Schwarzwild)

2. Zylinderlauf (Schrotflinte mit gezogenem Lauf)

Beschreibung: Kombination aus glattem Flintenlauf und gezogenem Büchsenlauf

  • Oberlauf: Gezogen (Büchsenlauf) für Kugel
  • Unterlauf: Glatt (Flintenlauf) für Schrot
  • Kaliber: z.B. 16/70 Schrot oben, .222 Remington unten
  • Einsatz: Für Pirsch auf Schalenwild (Reh, Wildschwein) + Flugwild
  • Vorteil: Universalwaffe für verschiedene Wildarten

Beliebtheit: Sehr populär in Deutschland, ideal für Geländejagd

3. Kipplauf / Bockdoppelbüchse

Beschreibung: Zwei übereinander liegende gezogene Läufe (Büchsenläufe)

  • Ausführung: Oberlauf und Unterlauf meist unterschiedlicher Kaliber
  • Kaliber-Kombinationen: z.B. .30-06 + 8x57IS, .308 + .243, 9,3x62 + 7x65R
  • Einsatz: Auf Schalenwild (Hirsch, Reh, Wildschwein, Damwild, Gemse)
  • Mechanismus: Kippmechanismus zum Laden und Patronenwechsel
  • Genauigkeit: Sehr genaue Schussplatzierung auf Distanz (100-300m)

Charakteristik: Bevorzugte Waffe in Mitteleuropa, besonders in Deutschland

4. Büchsen (Repetierer/Halbautomaten)

Beschreibung: Gezogene Läufe mit Zug- oder Selbstladmechanismus

  • Typen: Repetierer (Handhebel, Schieber, Bolzen) oder Selbstladebüchse
  • Kaliber: .308 Winchester, .30-06 Springfield, 8x57IS, 7x64, .243 Winchester
  • Einsatz: Auf Schalenwild auf mittlere bis große Distanzen
  • Schnelligkeit: Mehrere Schüsse hintereinander möglich (Nachschuss-Sicherheit)
  • Genauigkeit: Sehr präzise Flintenbüchsen mit hoher Durchschlagskraft

Beliebtheit: In Deutschland weniger verbreitet wegen Jagd-Traditionalität

5. Drilling / Vierfach-Flinte

Beschreibung: Kombination aus mehreren Läufen (2-4 Läufe)

  • Drilling: 2 Schrotläufe (12/70) + 1 Büchsenlauf (z.B. 7x65R)
  • Varianten: Verschiedene Kombinationen möglich
  • Einsatz: Universalwaffe für alle Jagdarten
  • Vorteil: Für Treibjagd und Pirschwild sehr wertvoll
  • Selektor: Wahlhebel zum Auswählen des zu schießenden Laufs

Klassik: Traditionelle Jagdwaffe, oft handgefertigt

Munitionsarten & Konstruktion

Schrotmunition (Patronen für Flintenlauf)

Aufbau einer Schrotpatrone:

  1. Hülse: Messingmantel mit Kunststoffköcher (Kunststoffspuler)
  2. Anzündmittel: Zündhütchen in der Hülsenbasis
  3. Treibladung: Schwarzpulver oder Schießpulver (z.B. DK-Pulver, Unique)
  4. Schrotgarbe: Kugelreihe (0,1,2,3,4,5,6,7,8,9) oder Flintenschrot
  5. Abschlusswad: Kunststoffpfropfen zur Fixierung der Schrotgarbe

Schrot-Nummern und Wildarten

Schrotgröße Kugelzahl/Patrone Kugelgröße Wildart Einsatz
0000 7-8 Kugeln 9,3 mm Schwarzwild, Damwild Nähe auf starkes Wild
00 8-9 Kugeln 9 mm Schwarzwild, Rehbock Nähe bis mittlere Distanz
2 135-145 3,7 mm Hasen, Kaninchen, Waldschnepfe Kleine Wildarten
4 80-90 3,1 mm Fasan, Rebhuhn, Schnepfe Federwild mittlere Distanz
6 380-400 2,4 mm Ente, Waldschnepfe, Wachtel Federw. mittlere bis große Distanz
8 750-800 1,8 mm Fasan, Ente (Ferne), Waldschnepfe Federwild große Distanz

Flintenmunition (Schrotpatronen)

Schrotpatronen-Bezeichnung: z.B. "16/70" oder "12/70"

  • Erste Zahl: Kaliber (12, 16, 20, 28, .410)
  • Zweite Zahl: Hülsenlänge in mm (70mm = 2¾", 76mm = 3")
  • Standardladung: 12/70 mit 32g Schrot, 16/70 mit 28g Schrot
  • Magnum: 12/76 mit 36g oder 40g Schrot (für starkes Wild und Ferne)

Büchsenmunition (Kugelpatronen)

Aufbau einer Büchsenpatrone:

  1. Hülse: Messingmantel mit gepresstem Boden
  2. Zündhütchen: Spitzenzünder oder Berdan-Zünder
  3. Treibladung: Schnellbrennendes Pulver (z.B. Vihtavuori, Hodgdon, IMR)
  4. Geschoss: Bleikern mit Kupfermantel (Jacketed), Vollmantel, Hohlspitz
  5. Sprengstoff: Keine (reine Deformationswaffe im Jagdbereich)

Geschosstypen für Jagd

Geschosstyp Beschreibung Einsatz Vorteil
Vollmantel Bleikern komplett von Kupfermantel umhüllt Großwild, lange Distanzen Hohe Penetration, weniger Verformung
Hohlspitz / Softpoint Kupfermantel mit Hohlraum oder offener Spitze Schalenwild (Hirsch, Reh) Gute Verformung, sichere Tiefenwirkung
Flachspitz / Rundkopf Abgerundete Spitze ohne Verformungs-Öffnung Repetiergewehre, nähere Distanzen Sicher in der Magazinierung
Spitzgeschoss Spitz zulaufende Form, niedriger Luftwiderstand Mittleres Wild, mittlere Distanzen Flache Flugbahn, hohe Geschwindigkeit

Jagdkaliber - Auswahl nach Wildart

Kaliber Waffentyp Muzzle Velocity Wildart Einsatzbereich
.222 Remington Büchse/Zylinderlauf 1015 m/s Rehwild, Fuchs, Hase Kleinwild bis mittleres Wild
.243 Winchester Büchse/Kipplauf 945 m/s Reh, Damhirsch, Gämse Leichtes bis mittleres Schalenwild
7x64 Büchse/Kipplauf 960 m/s Hirsch, Damhirsch, Wildschwein Mittleres bis starkes Wild
7x65R Kipplauf, Drilling 940 m/s Hirsch, Damhirsch, Wildschwein Universalkalibber, beliebt in D
8x57IS Kipplauf, Büchse 760 m/s Hirsch, Elch, Wildschwein Starkes Wild, große Tiefenwirkung
.308 Winchester / 7,62x51 Büchse, Kipplauf 860 m/s Hirsch, Elch, Wildschwein Vielseitig, lange Distanzen
.30-06 Springfield Büchse, Kipplauf 880 m/s Hirsch, Elch, Wildschwein Klassisches Jagdkaliber, sehr beliebt
9,3x62 Kipplauf, Büchse 860 m/s Hirsch, Elch, Wildschwein Starkes Wildkaliber, gute Durchschlagskraft

Kaliberauswahl-Hinweise:

  • Leichte Kaliber: .222, .243 für Reh und Kleinwild (unter 30kg)
  • Mittlere Kaliber: 7x64, 7x65R, .308 für Hirsch und Damwild (bis 150kg)
  • Schwere Kaliber: 8x57IS, .30-06, 9,3x62 für Elch und Wildschwein (über 150kg)
  • Tiefenwirkung: Je schwerer das Wildkaliber, desto besser die Tiefenwirkung und sichere Bergung
  • Kugelflug: Leichtere Kaliber haben flachere Flugbahn, schwere etwas höhere Geschwindigkeit

Schießformen - Schießprüfung vorbereiten

Schießprüfungs-Anforderungen

Schießprüfung nach Jägerprüfungsverordnung:

  • Flintenlauf: 30m Distanz auf Tontauben oder Schießscheibe
  • Büchsenlauf: 100m Distanz auf Schießscheibe mit bestimmten Treffervorgaben
  • Erforderliche Treffer: Mindestens 36 von 50 Schuss bei Flinte, Büchse-Vorgaben nach Bundesland

Schießtechniken

1. Stehend (Ansprechen/Trap)

Haltung: Aufrecht stehend, Waffe schultert, Zielgriff

  • Beine schulterbreit auseinander
  • Standbein hinten, Schießseit vorne
  • Oberkörper leicht nach vorne geneigt
  • Waffe schultert, Wange an Schaft

Einsatz: Pirschwild (Hirsch, Reh), Standschuss auf kurze/mittlere Distanz

2. Knien (praktische Schießform)

Haltung: Auf einem Knie sitzend, andere Seite hochgezogen

  • Schießseitiges Bein anwinkeln
  • Andere Seite gestreckt (Anschlagsarm)
  • Ellbogen auf Oberschenkel abstützen
  • Waffe schultert

Einsatz: Jagdlich realistische Position im Gelände

3. Sitzend (Schießstand-Position)

Haltung: Auf Stuhl oder Bank sitzend, stabil

  • Rücken gerade
  • Beide Ellbogen gestützt
  • Waffe schultert, Wange am Schaft
  • Höchste Stabilität

Einsatz: Schießstand-Training, präzise Entfernungen testen

4. Liegend (höchste Präzision)

Haltung: Auf dem Bauch liegend, Waffe gestützt

  • Bauch auf Boden/Sandsack
  • Beide Ellbogen gestützt (V-Stütze)
  • Waffe auf Zweibein-Ständer
  • Maximale Stabilität

Einsatz: Schießstand-Einstießen, Genauigkeitsprüfung (100m+ Distanzen)

Flintenschießen (Trap & Skeet)

Form Beschreibung Distanz Ziel Prüfung
Trap Tontauben aus Maschine, unterschiedliche Flugrichtung 16m Schießscheibe oder Tontauben Jagdprüfung Standard
Skeet Tontauben aus 2 Maschinen mit variablem Tempo 23m - 27m Tontauben (kein Schießscheiben-Einsatz) Selten in Jagdprüfung
Schießscheibe Schwarzer Ring mit weißem Punkt auf weißem Grund 30m Ringmittelpunkt (10er Ring) Standard Jagdprüfung

Büchsenschießen (Präzision)

  • 100m Entfernung: Standard für Büchsenprüfung
  • Zielscheibe: Internationale Drei-Ring-Scheibe (schwarzer Ring, weißer Mittelpunkt)
  • Treffervorgabe: Mindestens 36 Treffer aus 50 Schuss (Bundesland-abhängig)
  • Ringe gezählt: Ab 8er Ring (innerer weißer Kreis) wird gezählt
  • Einschwießen: Visier und Korn vor Prüfung korrekt einstellen

Jagdwaffen-Recht & Bestimmungen

Zulässige Jagdwaffen nach BJagdG

§ 19 Absatz 1 BJagdG - Zulässige Jagdwaffen:

  1. Schusswaffen (Flinte, Büchse, Kipplauf, etc.)
  2. Armbrust (für Rehwild, Damhirsch, Feldhase bei bestimmten Bundesländern)
  3. Sprengfalle (für Raubwild, selten genutzt)
  4. Schlagfalle (für Raubwild)
  5. Messerfalle (für Rotfuchs und Dachs)

Munitions-Anforderungen nach Wildart

Wildart Zulässige Munition Minimale Größe Verboten
Schalenwild (Hirsch, Reh) Büchsenmunition mit Jagdgeschoss .243 Winchester min. Schrotmunition, Vollmantel
Schwarzwild Büchsen- oder Schrotmunition (00er) 7x64 oder Schrot 00 Leichte Kaliber, Bleischrot
Federwild (Fasan, Ente) Schrotmunition Schrot 4-8 Büchsenmunition, Bleischrot
Hase, Kaninchen Schrotmunition Schrot 2-4 Büchsenmunition

Jagdschein & Waffenerwerb

  • Jagdschein erforderlich: Zum Erwerben und Führen von Jagdwaffen
  • Waffenschein zusätzlich: Nach WaffG (nur für Schusswaffen außerhalb von Jagdstrecken)
  • Sachkundenachweis: Schießprüfung (Büchsen 36/50 Treffer, Flinte Trap)
  • Altersgrenze: Mindestens 16 Jahre (mit Aufsicht), selbstständig ab 18 Jahren
  • Unbeschränktheit: Keine strafrechtlichen Vorverurteilungen

⚠️ Verbotene Munition nach BJagdG

  • Bleischrot: Verboten seit 2021 für Wasserwildjagd (giftig für Wasservögel)
  • Teilmantel-Geschosse ohne Mantel: Teilweise verboten (zu viel Bleiverunreinigung)
  • Phosphor-Munition: Absolut verboten (Giftigkeit)
  • Sprenggeschosse: Verboten (nur zivile Jagd, nicht gewerblich)
  • Zersplitterungsmunition: Nicht erlaubt (grausam gegen Wild)

Waffensicherheit & Transportbestimmungen

Sichere Handhabung (Sicherheitsregeln)

1. Waffen immer geladen behandeln

Führe jede Waffe so, als würde sie mit scharfer Munition geladen sein - auch wenn sie scheinbar leer ist.

2. Schusskanal-Kontrolle

Achte immer auf dein Ziel und dahinter. Nur auf deutlich erkannte Wildkörper schießen.

3. Finger weg vom Abzug

Den Zeigefinger nicht an den Abzug, sondern neben die Schießeisen, bis du gezielt hast.

4. Laufrichtung kontrollieren

Richte die Waffe immer nur auf das anvisierte Wild, niemals auf Personen, Häuser oder Wege.

5. Waffen sichern

Sichere die Waffe mit Sicherung ab, wenn du sie trägst. Mit gesichertem Hahn transportieren.

6. Patrone kontrollieren

Überprüfe vor jedem Schuss Patron, Zündung und Schuss-Sicherheit. Kein verbrauchtes Zündhütchen!

Waffentransport & Lagerung

Transport im Fahrzeug:

  • Waffe: Entladen, Hahn gesichert, in Waffenhalter oder Gewehrfutteral
  • Munition: Getrennt von Waffe, in Munitionskiste oder Patronentasche
  • Sichtschutz: Nicht offen zeigen (Einbruchs-Prävention)
  • Fahrzeugsicherung: Türen abgesperrt, nicht unbeaufsichtigt lassen

Lagerung zu Hause:

  • Waffe: Im verschlossenen Schrank oder Safe, Schlüssel verborgen
  • Hahn: Gesichert oder durchgeladen
  • Munition: Separat gelagert, trocken und kühl
  • Kinder-Sicherheit: Unzugänglich für Kinder und Unbefugte

Waffenpflege & Wartung

  • Reinigung: Nach jeder Jagd entladen und Läufe auswischen (Feuchtigkeit)
  • Ölen: Leicht einfetten, um Rostbildung zu verhindern
  • Überprüfung: Verschluss, Sicherung und Schlagbolzen regelmäßig testen
  • Fachmann: Reparaturen nur von lizenziertem Büchsenmacher durchführen lassen
  • Überprüfung: Jährliche Sichtprüfung vor Jagdsaison empfohlen

Wichtige Waffenkunde-Punkte für die Jägerprüfung

  • Waffentypen kennen: Flinte, Kipplauf, Büchse - Unterschiede und Einsatz
  • Kaliber auswählen: Nach Wildart und Distanz richtig wählen
  • Munitionsaufbau: Schrot vs. Büchsenmunition und deren Bestandteile
  • Schrotgrößen: 0000, 00, 2, 4, 6, 8 und deren Verwendung
  • Schießtechniken: Stehend, knien, sitzen, liegend beherrschen
  • Jagdscheinerwerb: Schießprüfung-Anforderungen kennen
  • Waffensicherheit: Sichere Handhabung und Transport
  • Waffenrecht: BJagdG §19 - zulässige Waffen und Munition
  • Munitionsverbot: Bleischrot, Phosphor, Zersplitterung
  • Waidgerechtigkeit: Saubere und sichere Schussplatzierung

Prüfung erfolgreich bestehen

Waffenkunde ist ein wichtiger Prüfungsteil der Jägerprüfung. Die richtige Vorbereitung macht den Unterschied!